08.03.19
„Wie die Welt um uns herum müssen auch wir uns verändern und Trends spielen dabei eine entscheidende Rolle. Eines unserer Fokusthemen ist Urban Farming und gerade hier wollen wir noch viel lernen. Urban Farming verbinden wir dabei nicht nur mit Vertical Farms und geschlossenen Systemen, sondern auch mit Gemeinschaftsgärten, lokal produzierenden Landwirten und Projekten, die sich für die Lebensmittelproduktion nahe am Konsumenten einsetzen. Aus diesem Grund bin ich mit einigen Kollegen am 27. und 28.02. in Berlin um uns mit verschiedenen Vordenkern auf dem Gebiet des Urban Farming auszutauschen."
Dieses Anschreiben erreichte uns im Februar 2019. Verfasst hat es ein gewisser kumpelig auftreten wollender Niklas. Er arbeitet im Innovationsbereich der K+S KALI GmbH, „einem Bergbau- und Düngemittelkonzern mit 120-jähriger Tradition.“
Die K+S-Gruppe mit 14.000 Mitarbeiter*innen ist insbesondere in Europa, Nord- und Südamerika tätig. BASF besitzt den größten Aktienanteil. K+S fördert Salz- und Kali-Vorkommen und vertreibt mineralische Düngemittel. Die Gruppe gibt vor, sich um die Sicherung der Welternährung zu sorgen. Und das ist noch nicht alles:
"Wir streben nach Nachhaltigkeit, denn wir bekennen uns zu unserer Verantwortung gegenüber Menschen, der Umwelt, den Gemeinden und der Wirtschaft in den Regionen, in denen wir tätig sind" (Homepage).
Wirklich?
K+S betreibt auch hierzulande Bergwerke in Osthessen
(Werraverbund), Sachsen-Anhalt und Niedersachen und macht immer wieder durch Umweltschäden auf sich aufmerksam. So beeinträchtigen ihre riesigen Kaliberge durch Sickerwasser das Grundwasser,
Laugen mit problematischen Substanzen werden mir nichts dir nichts in Flüsse geleitet. Umweltgruppen vor Ort kämpften und kämpfen gegen Behörden, Politiker*innen und massive
Konzerninteressen.
Bemüht um öffentliche Credits verweist K+S auf die Förderung entwicklungspolitischer Projekte, die Kleinbäuer*innen im Süden zugute kommen sollen (Uganda, Indien). Um sie nebenbei zu guten Kund*innen konzerneigener Düngemittel zu machen, wie stark zu vermuten ist.
K+S organisieren auch regelmäßig das FUTURE FOOD FORUM, mit Leuten aus Regierung, Verwaltung, Wissenschaft, Start-ups, dem Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen und dem WWF (zuletzt mit einem Talk zum Verhältnis von Welternährung und Umweltschutz).
Herr Niklas Dehning, mit Konzernen, die Umwelt und Natur schädigen, wollen wir nichts zu tun haben. Da hilft auch das beste Greenwashing nicht.
16.09.18
Angeklopft haben bereits Zalando (wir berichteten: Archiv 2017 - 1, 06.05.17), Gardena - und
jüngst nun Delivery Hero, „ein internationales Unternehmen mit Hauptsitz in Berlin. Mehr als 1.000 Mitarbeiter aus fast 70 verschiedenen Ländern arbeiten in unserem "Hero
Hub" an der Oranienburger Straße“.
Dessen als erfolgreich gepriesenes Geschäftsmodell besteht darin, Essen aus Restaurants des näheren Umkreises von hyperflexibilisierten Fahrradkurier*innen zu Kund*innen liefern zu lassen.
Und was ist das Anliegen dieses global agierenden Konzerns mit annähernd 16.000 Mitarbeiter*innen? „Wir würden gern mehr Verantwortung für unsere Stadt übernehmen und langfristig etwas Gutes
tun. Ihre Organisation steht für Werte, die wir vertreten und gern unterstützen möchten.“
Erstere beiden Punkte können wir bestens nachvollziehen, liegt doch die Hauptverantwortung dieses als europäische Aktiengesellschaft aufgestellten Konzerns in erster Linie darin, die Rendite
seiner Aktionär*innen zu steigern und das gern auch mit Berichten darüber, was er selbst „Gutes“ tut. Der letzte Punkt - unsere zum Vorbild gereichende Wertehaltung - bereitet uns
zugegebenermaßen schon etwas Kopfzerbrechen. Müssen wir da noch etwas an unserem Corporate Design arbeiten, um in Zukunft keine entsprechenden Anfragen mehr zu erhalten?
„Sehr gern würden wir Ihnen etwas von unserer Zeit spenden und unseren Mitarbeitern die Möglichkeit geben, ehrenamtlich für Sie aktiv zu werden - gern auch regelmäßig und
langfristig“.
Wir verzichten! Denn das Corporate Volunteering von Delivery Hero hat mit seinen Teambildungsmaßnahmen und Reputationsmanagement-Plänen die Funktion, von den miesen Arbeitsbedingungen beim
Tochterunternehmen Foodora - und womöglich denen anderer hauseigener Marken wie pizza.de oder lieferheld.de - abzulenken. Denn wir möchten kein Social Washing-Support für ein Unternehmen
betreiben, das seine Kurierfahrer*innen von Foodora einem harten und unfairen Effizienz-Ranking auf Algorithmus-Basis aussetzt, bei einem faktischen Stundenlohn unter dem Mindestlohn, wenn man
die Aufwendungen für Material und Versicherung von den 9,00 € Grundlohn mitberechnet. Das Lohnsystem mit seinen Anreizen führt zu riskanterem Fahren, berichtet die Hans-Böckler-Stiftung. Wie selbstverständlich wird erwartet
dass die Fahrer*innen eigene Arbeitsmittel wie Fahrrad und neueres Handy mit entsprechendem Vertrag und Datenvolumen mitbringen und die anfallenden Reperaturkosten selbst tragen.
Doch viele Fahrer*innen bei Foodora und des Konkurrenten Deliveroo wehren sich und haben sich auf Betriebsebene und überbetrieblich zusammengeschlossen und Demos organisiert. Mancherorts konnte
ein Betriebsrat gebildet werden. Die Basisgewerkschaft FAU unterstützt die Proteste, so auch in
Berlin. Die Forderungen: die volle Übernahme der Reparaturen an ihren eigenen Fahrrädern, mehr Lohn und eine bessere Organisation der Schichtendienste. Foodora gewährte als Ergebnis der
Verhandlungen einzig eine von den betroffenen Fahrer*innen als völlig unzureichend eingestufte Pauschale für Reperaturen. Deliveroo hat sich ganz aus den Verhandlungen zurückgezogen. Die
Kurierfahrer*innen sind entsprechend unzufrieden und haben weitere Aktionen bis möglicherweise hin zum Streik angekündigt. Riders united!
06.05.17
Zalando, Europas größter Modeversandhändler und Aktiengesellschaft SE mit derzeit 12.000 Mitarbeiter*innen, möchte an seinem Kreuzberger Standort in der Zeughofstraße einen Dachgarten errichten. Auch wir wurden um Unterstützung gefragt.
"Wir möchten gemeinsam arbeiten, nicht nur am Schreibtisch. In Workshops, Gartenarbeitstagen, in Projekten mit unserer Kita wollen wir uns für den Schutz von Umwelt und Natur engagieren, den Aufbau von weiteren urbanen Gärten an anderen Zalando Standorten ausrollen und über den ökologischen Anbau und gesunde Ernährung informieren".
Klingt doch toll, wenn sich Angestellte neben ihrem eigentlichen Job nun auch noch um das städtische arbeitsplatzzugehörige Grün kümmern dürfen. Oder müssen? Nicht mit uns!
Es ist prinzipiell begrüßenswert wenn sich mehr und mehr Menschen für ökologischen Lebensmittelanbau und gesunde Ernährung interessieren. Doch wenn diese dringlichen Anliegen durch Unternehmensinteressen gekapert und für den Zweck der Profitsteigerung samt neuer zeitgemäßer Corporate Identity und verbesserter Public Relation mißbraucht werden, ist Schluss mit lustigem netzwerken.
Das Unternehmen Zalando steht seit langem in der Kritik. In der Vergangenheit vielfach bemängelt wurden fragwürdige Pausenregelungen, Arbeitsplatzüberwachung, hoher Arbeitsdruck, sehr hoher Anteil an befristeten Verträgen, mickrige Stundenlöhne. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi kritisiert die eingeschränkten Arbeitnehmer*innnenrechte beim europaweiten Betriebsrat. Zwar heisst es zuweilen, dass sich das Unternehmen auch konstruktiv zeige in der Behebung einiger dieser Mängel - was die Mängel aber nicht grundlegend beseitigt.
Einem solchen Unternehmen werden wir keinen grünen trendy Anstrich verpassen helfen. Wie Vattenfall mit seinem Vorzeigegarten am Standort in der Köpenicker Straße Greenwashing betreibt, scheint nun auch Zalando auf den Washing-Zug aufspringen zu wollen, indem es den Anschluss sucht an Garteninitiativen aus den Stadtteilen, um seinen ramponierten Ruf aufzupolieren: durch Socialwashing mit grüner Wirkformel.
Zalando will nun zu allem Übel auch noch als weiterer Anheizer und Gewinnler der Gentrifizierung im Wrangelkkiez in Kreuzberg auftreten. Dort wird das Unternehmen Hauptmieter des geplanten Gewerbegebäudes auf der lange umkämpften Cuvrybrache werden. Und auch hier soll offenbar “gemeinschaftsgegärtnert“ werden.
Nicht unerwähnt lassen wollen wir in diesem Zusammenhang, dass die sog. Samwer-Brüder, die einst mit ihrem Startup Zalando ein Vermögen gemacht haben, sich auch im Poker um den Aufkauf von Häusern eines ganzen Blocks im Neuköllner Reuterkiez beteiligten. Mittlerweile sind sie als Gesellschafter der Hintze-Gruppe Mitvermieter dort. Die betroffenen Mieter*innen von "Unser Block bleibt" kämpfen gegen drohende Modernisierungen und Mieterhöhungen.